Paula Kleine-Onnebrink – Banges Warten

Mach dein Richtungsding!

Banges Warten

Es war ein kalter und trüber Novembermorgen, als Timo Frederico im Hause seiner Großeltern auf die Welt kam. Er war so ein kleines, niedliches Baby, dass alle Leute und Verwandten ihn sofort in ihr Herz schlossen, als sie ihn das erste Mal sahen. Timo Frederico war ein ganz normales Kind mit einer ganz normalen Kindheit und ganz normalen Eltern. Der Vater war Fabrikbesitzer und ließ Kleidung herstellen. Die Mutter arbeitete in einem Verlag, las viele Bücher und schrieb unter anderem die Klappentexte.
Alles war total normal, bis zu Timo Fredericos siebtem Lebensjahr, als er zum ersten Mal bewusst mitbekam, wie seine Eltern sich zankten. Er war etwas früher als geplant von einem Spielkameraden nach Hause gekommen und wollte eigentlich sofort in sein Zimmer gehen, als er plötzlich die lauten Stimmen seiner Eltern hörte. Sie waren im Arbeitszimmer des Vaters. Und der Junge, der von klein auf neugierig gewesen war, schlich leise hinunter, um an der Tür zu lauschen. Nach einigen Minuten konzentrierten Zuhörens hatte er begriffen, worum es in dem Streit seiner Eltern ging. Er war entsetzt. Sein Bild der Eltern war immer das eines liebevollen Pärchens gewesen, welches sich höchstens mal wegen Nichtigkeiten stritt, um sich nach ein paar Minuten schon wieder geeinigt zu haben und sich lächelnd und schmusend in den Armen zu liegen. Und jetzt das. Timo Frederico drehte sich um und lief hastig zu der Treppe, die ins Obergeschoss und somit auch zu seinem Zimmer führte. Doch unglückseligerweise realisierte er nicht sein Spielzeugauto, welches verlassen mitten auf der Treppe lag. Der Junge stürmte hinauf und stolperte über das Spielzeug. Er verlor das Gleichgewicht, taumelte, überschlug sich und polterte mit lautem Krach die Treppe hinunter, um unten direkt vor der Tür des Arbeitszimmers seines Vaters zu landen. Dort verlor Timo Frederico vollends das Bewusstsein und bekam nicht mal mehr mit, wie seine Eltern, von dem Lärm angelockt, erschrocken ihren Streit unterbrachen, zur Tür eilten und diese verängstigt öffneten.
Der Anblick ihres kleinen Jungen, zusammengerollt, ohne Bewusstsein und mit einer blutenden Platzwunde am Kopf, ließ Vater und Mutter erstarren. Doch nach kurzer Besinnung ergriff die Mutter die Initiative, beugte sich zu ihrem Sohn herunter und untersuchte die Wunde. Daraufhin eilte der Vater zum Telefon und rief den Notarzt an, welcher binnen fünf Minuten vor der Tür stand. Dort wurde er sehnsüchtig vom Vater erwartet und zum Patienten geführt.
Timo Frederico wurde auf eine Trage gelegt, in einen Krankenwagen gehoben und mit Martinshorn zum Krankenhaus gefahren. Die verängstigten Eltern fuhren zügig mit ihrem Auto hinterher und versuchten keine Panik aufkommen zu lassen, was ihnen allerdings nicht richtig gelang. Direkt nach ihrer Ankunft bestürmten sie die nächstbesten Krankenschwestern mit Fragen nach dem Befinden ihres Sohnes. Die Krankenschwestern wussten allerdings so gut wie nichts von dem Vorfall. Also wiesen sie die Eltern an, sich ins Wartezimmer zu setzen, zu warten bis einer der zuständigen Ärzte zu ihnen kommen und Bericht erstatten würde. Über der ganzen plötzlichen Aufregung hatte das Paar seinen Streit total vergessen. Für Mutter und Vater verging die Zeit quälend langsam. Als sie dachten, man hätte sie vergessen, gingen sie nachfragen, wurden aber abgewiesen und um Geduld gebeten. Unruhig liefen sie im Wartezimmer auf und ab. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. So sehr, dass man es spüren konnte.
Und dann kam ein Arzt mit dem Ergebnis, welches für das weitere Leben von Timo Frederico und seinen Eltern sehr entscheidend sein sollte.

Paula Kleine-Onnebrink, die Rechte an diesem Text liegen bei der Autorin.