Im Anzug Ecstasy

Ich bin mal wieder auf Ecstasy.
Scheiß Leben. Scheiß Welt. Scheiß Alles.
Andauernd diese taubstummen Staublungen, die sich seelenlos wie reine Hüllen durch den Smog bewegen. Taubstumme Staublungen, deren einziges Ziel zuerst zeitiges Erscheinen am Arbeitsplatz und dann Zuhaus‘ zu sein scheint. Nur um sich kalte Pampe in der Mikrowelle zu erwärmen und die krustigen Lippen an Kinderstirne zu pressen und eine vor dem Spiegel einstudierte Gute-Nacht-Geschichte unter Kindergähnen zu erzählen. Mit ein wenig Unglück läuft noch eine schlecht synchronisierte ZDF-Eigenproduktion mit schönen Bildern von Indien im – durch sie finanzierten – Programm.
Taubstumme Staublungen reden nicht, doch über and‘re. Kriegen den Mund nicht auf, doch viel zu oft. Hans mit dem fetten Wanst, Suse mit den fetten Hupen, Klaas mit der fetten Nase, alle werden fröhlich betratscht. Taubstumme Staublungen erfreuen sich an Til Schweiger-Filmen und loben die Dialoge, sie seien so realitätsnah, denn taubstumme Staublungen reden wie in Til Schweiger-Filmen, wie nach Skript sagen sie, was sie dürfen und sollen. Sagen mal was gegen Wanste, Hupen, Nasen, aber sonst … Sonst husten taubstumme Staublungen aus ihren Lungen Staub, sind stumm und taub.
Verschweigen das Weltgeschehen, weil sie es selbst nicht sehen. Das Interesse viel zu klein, dafür der Sessel viel zu fein, viel zu weich, viel zu rein, als dass man dort Gedanken nachgehen müsste, die am Ende doch sowieso nichts bringen, nichts ändern. Alles bleibt doch gleich.
Ich bin mal wieder auf Ecstasy.
Scheiß Leben. Scheiß Welt. Scheiß Alles.
Alles bunt auf einmal, alles geil mal. Mein Körper bewegt sich, mein Geist versteht nicht. Versteht nicht, was passiert. Kiefer unkontrollierbar. Alles hundert Mal schiefer. Endlich mal alles nicht so gerade. Nicht so grau, nicht so schal.
Aus taubstummen Staublungen wird Blut geschleudert. Husten mit Blut ist unumgänglich mal was anderes. Unumgänglich Flucht zur miesen Tristesse.
Ich war mal wieder auf Ecstasy.
Morgen wird sich wieder durch den Smog zum Arbeitsplatz – bestehend aus Anzugträgern an Eichenholz – gekämpft, eine blaue Gauloise zwischen den Fingern, sich am Schreibtisch über die ZDF-Themennacht unterhalten, in der wieder dieser witzige Kabarettist aufgetreten ist.
„Ach, was hab ich da gelacht“, sag ich zu dem fetten Hans.
Doch was hab ich da gemacht?
Ich war mal wieder auf Ecstasy.

Lukas Walk, die Rechte an diesem Text liegen bei dessen Autor.