Carla Gläßer – Der Lehrer

Mach dein Richtungsding!

Der Lehrer

Arbeitsumfeld und Verallgemeinerung
Der natürliche Lebensraum des Lehrers ist das Klassenzimmer oder das Lehrerzimmer.
Außerhalb seines natürlichen Lebensraumes ist der Lehrer bei der Verkehrserziehung auf der A2 zu beobachten.
Der Lehrer ist hierbei gesetzlich verpflichtet mit einem Opel Corsa oder einem Twingo möglichst schnell auf die linke Spur zu wechseln und dann das Tempo unter 90km/h halten, um alle, die ein schnelleres oder schöneres Auto als sie selbst haben oder in Eile sind, auszubremsen und einen nicht unter drei Kilometer langen Stau zu verursachen.
Jeder Lehrer entwickelt im Laufe der Jahre sein ganz eigenes, individuelles Territorialverhalten.
Einige schmücken sich mit bunten Farben, andere markieren ihr Revier, indem sie Unterrichtsmaterialien in Klassenräumen vergessen. Wiederum andere machen ihren Anspruch, ähnlich wie die Brüllaffen oder Vögel, durch laute Klänge, verursacht durch Absatzschuhe oder J. S. Bach, deutlich.

Sozialkompetenz
Der Lehrer lebt in einem Verband mit 20-30, ihm vom Staate zur Bildung überlassenen, Jungtieren. Dieser Verband wird auch Klasse genannt. Die Jungtiere werden nach 12-13 Jahren, mit einer Beglaubigung ihrer geleisteten Fähigkeiten, wieder aus dem Rudel verstoßen. Bei der Übergabe derselben ist der Lehrer verpflichtet, mindestens jeden dritten Absolventen zu kommentieren.
Der Lehrer hat in den Augen der Schüler, bis diese die Pubertät erreichen kein Privatleben und seine Existenz ist an das Schulgebäude gebunden.
Haben die Schüler die Pubertät erreicht, so hat der Lehrer ein Privatleben, gilt aber als allgemein doof und langweilig.
Um sich in dieser kritischen Phase Respekt zu verschaffen und seinen Herrschaftsanspruch gültig zu machen, hat der Lehrer das Recht, so laut zu schreien und mit Sechsen zu drohen, wie er will, auch wenn er nur die Vertretung macht.
Dem Lehrer ist körperliche Gewalt verboten.
Ausnahmen bilden:
• Das Werfen von Kreide, Radiergummis oder vergleichbaren Gegenständen
• Das Umnieten der Schüler mit umweltfreundlichen Vehikeln
• Das absichtliche Überrollen der Füße mit einen speziell angefertigtem Rollkoffer
• Der Veggie-Day

Unterricht
Jeder Kunstlehrer hat zu einem beständigen Missverständnis der Kunst beizutragen. Dabei ist auf eine exzessive Ausführung, mit nicht unter sieben unverständlichen Fachwörtern, bei der Beschreibung der Farben zu achten.
Müll kann Kunst sein, Kunst kann aber kein Müll sein. Alles was der Schüler eigenständig, ohne das Gekritzel des Lehrers produziert, wird automatisch mit nicht mehr als einer Drei benotet und fällt so unter die Kategorie Müll.
Jeder Physiklehrer ist dazu verpflichtet pro Quartal ein Experiment durchzuführen. Gelingt dieses nicht, ist das Ergebnis trotzdem als gelungen zu betrachten, da man zu der Erkenntnis gelangte, dass es so nicht gelingen wird.
Jeder Mathelehrer ist dazu verpflichtet, möglichst schnell und unverständlich zu erklären. Die Tafel darf nicht in chronologischer Reihenfolge beschrieben werden.
Jeder Geschichtslehrer hat vom Thema abzuschweifen und an diesem vorbei zu erzählen . Der vorgeschriebene Kleidungsstil entspricht dem einer vergangenen Epoche. Pro Jahr hat der Geschichtslehrer eine original alte Sache mitzubringen. Omis und Opis gewährleisten diese Kriterien nicht.
Ebenso hat der Biologielehrer pro Halbjahr ein lebendiges Tier mitzubringen, welches von der Klasse als allgemein widerwärtig empfunden wird. Wird dieses Kriterium erfüllt, so ist das Tier in einem Glas herumzureichen.

Elternsprechtage
Der Lehrer muss Elternsprechtage abhalten. Dabei wird dem gemeinen Volk eine Audienz gewährt.
Der Lehrer hat beim Elternsprechtag auf die Mängel des Schülers und dessen Erziehung hinzuweisen. Vorgeschrieben sind mindestens zwei peinliche Situationen.
Bei diesen Veranstaltungen ist dafür Sorge zu tragen, dass die Eltern auf zu kleinen oder einsturzgefährdeten Sitzmöbeln Platz nehmen.

Klassenfahrten
Einmal im Jahr beginnt die Wanderzeit und die Klasse macht sich auf eine weite Reise.
Diese hat zwingend nach Weimar oder eine vergleichsweise langweilige Stadt zu erfolgen.
Sollte die Klasse in diesem Zeitraum in einer Jugendherberge untergebracht sein, so hat der Lehrer das Recht, eine totale Überwachung einzurichten. Er ist hierbei verpflichtet in einem Abstand von vier Stunden ab Sonnenuntergang, die Zimmer der Jugendlichen zu überprüfen. Die letzte Kontrolle hat stets um halb eins (nachts) zu erfolgen, um den Schülern den Schlaf zu rauben und sie für den nächsten Tag gefügig zu machen.
Findet der Lehrer Alkohol, hat er das Recht diesen umgehend zu konfiszieren. Die fachgerechte Entsorgung hat so schnell wie möglich zu erfolgen. Diese wird nicht durch Mülleimer sondern nur durch eine schnelle und rückstandslose Vernichtung (auf Ex!) gewährleistet.

Umweltschutz
Jeder Lehrer hat die Regenwaldabholzung zu unterstützen, indem er mindestens alle fünf Quartale ein Umweltprojekt leitet, in dem er die doppelte Menge an Papier verbraucht als üblich, um Plakate herzustellen oder eine Umwelt AG gründet. Hierbei ist dasselbe Verfahren anzuwenden.

Referendare
Referendar ist die allgemeine Bezeichnung des Lehrers vor Erreichen der Lehrkörperreife.
Der Referendar hat, um sich den Respekt der Klasse zu verschaffen, stets optimistisch und pädagogisch wertvoll zu handeln.
Sollte diese Methode keine erfolgreiche Wirkung erzielen, so ist mit sofortiger Aggression bzw. totalem Krieg oder dem Schweigefuchs zu reagieren.
Bei mehrfacher, erfolgloser Wiederholung des Schweigefuchses ist der Referendar dazu verpflichtet, mithilfe einer Klangschale die operante Konditionierung anzuwenden.
Referendare haben die Pflicht mindestens eine Psychoanalyse durchzuführen oder alternativ eine Handpuppe mit in den Unterricht zu nehmen.
Den Bitten der Schüler, diese abzuschaffen, ist nicht entgegen zu kommen.
Vor einer Unterrichtsprüfung hat der Referendar die Klasse mit nicht unter zwei Tüten von beliebigen, aber allgemein bekannten, Süßigkeiten wohlgesonnen zu stimmen.
Das Austeilen von Süßigkeiten erfolgt sowohl vor, als auch nach den Prüfungen.
Prüfungen welche nicht erfolgreich verlaufen oder welche die Schüler selbst ablegen, sind von dieser Regelung ausgenommen.
Antworten auf Fragen vor einer Unterrichtsprüfung sind vorab als Theaterstück zu inszenieren. Das Theaterstück obliegt strengster Geheimhaltung vor den Prüfern.
Bei Nichtwissen einer fachbezogenen Antwort hat der Referendar stets auf Google zu verweisen.

Schweigefuchs
Der Schweigefuchs ist ein Handzeichen, welches als taktisches Mittel zur Verwirrung der Schüler oder eines beliebigen Feindes eingesetzt wird.
Der Schweigefuchs ist die ultimative Waffe des Lehrers.
Der Schweigefuchs darf nur in äußersten Notfällen und extremen Situationen angewendet werden.
Von dieser Regel ist abzusehen, wenn der Lehrer das Zeigen des Schweigefuchses für angebracht hält.
Alle anderen Schweigetiere sind grundsätzlich verboten.

Allgemeine Gesetze/ Verordnungen
Der Lehrer muss vor seinem ersten Arbeitstag einer neuen esoterischen Bewegung beitreten, welche sich die Pädagogik nennt.
Der Lehrer ist dazu verpflichtet mind. fünf Menschen pro Woche moralisch zurechtzuweisen. Ob es sich dabei um Menschenrechtler, Schüler oder Diktatoren handelt, ist nicht relevant.
Der Lehrer hat von Natur aus einen schlecht ausgeprägten Sinn für Technik. Dies gilt besonders für Informatiklehrer.
Jeder Lehrer hat der festen Überzeugung zu sein, Windows Vista sei noch zumutbar.
Dem Lehrer ist es nicht gestattet bei Forevertwentyone und Victorias Secret einzukaufen.
Dem Lehrer steht das Recht zu, immer Recht zu haben.
Ein Verstoß gegen eben jene Regeln wird mit einer sofortigen Versetzung in einen Kindergarten geahndet.

Carla Gläßer, die Rechte am Text liegen bei der Autorin.